Energiewende: Bitte umdenken

Jetzt ist es also amtlich: Kernenerige und Erdgas sind nach dem Willen der EU-Kommission grün. Auch wenn Deutschland da - zu recht - protestiert, es zeigt deutlich, dass die fürs Klima dringend notwendige Energiewende wohl an Unfähigkeit scheitern wird. Nämlich der Unfähigkeit der Verantwortlichen, insbesondere in der Politik, das Thema einmal komplett zu durchdenken.

Und zwar nicht wie bislang von oben nach unten, sondern auch mal von unten nach oben. Bislang “funktioniert” Energie aus Sicht der Politik nämlich so:

$Energieträger_{Kohle,Gas,Öl,Atom} \Longrightarrow Energieversorger \Longrightarrow Kunde$

Das soll sich dann zukünftig ändern zu:

$Energieträger_{Sonne,Wind} \Longrightarrow Energieversorger \Longrightarrow Kunde$

Das Steckdosen-Paradoxon

Wer sich jetzt verwundert fragt, welche Rolle in diesem Szrenario die zunehmende Zahl kleiner und kleinster Energie-Erzeuger - Privathaushalte und Betreiber-Gemeinschaften mit Photovoltaik- und Windanlagen - spielen, dem kann geholfen werden. Dieselbe, die sich auch schon hatten, als die Klimakrise noch nicht so ernst genommen wurde: das sind Störfaktoren.

Denn nach der vorherrschenden politischen Denke kommt der Strom eben doch aus der Steckdose, und reinkommen tut er da vom Energieversorger. Und wenn ein Haushalt Strom in das Netz der Versorger einspeist, dann trägt er eben nicht zur Reduktion des $CO_{2}$-Austosses bei, sondern schafft vor allem im Sommer Probleme, da den Strom ausgerechnet dann keiner brauchen kann und deswegen die armen Versoger dann Kraftwerke runterfahren müssen, die dann ganz schnell wieder anlaufen müssen, wenn doch mal mehr Strom gebraucht wird.

Wenn jetzt aber der Strom aus (semi-)privater Erzeugung so böse ist, warum dann nicht einfach Technologien fördern und beforschen, die dafür sorgen, dass der Großteil des abseits der Kraftwerke erzeugten Stroms gar nicht ins Netz geht, sondern am Ort der Erzeugung genutzt wird?

Power-to-Gas

Ein zumindest im privaten Umfeld recht interessantes Verfahren dafür könnte Power to Gas sein - also die Erzeugung von Erdgas (Methan) aus Wasserstoff und $CO_{2}$. Dabei kommt der Wasserstoff aus der Elektrolyse von Leitungswasser und das $CO_{2}$ daher, wo wir eh schon zu viel davon haben: aus der Luft. Das Methan wird im Idealfall lokal gespeichert und kann dann vielfältig eingesetzt werden:

  • zum Betrieb einer Gasturbine, die Strom liefert wenn die Batterie der PV-Anlage leer ist und gerade keine Sonne scheint
  • zur Bereitstellung von Warmwasser und Heizenergie (ggf. auch mit der Abwärme aus der ersten Nutzung)

Das hat gleich mehrere Vorteile:

  • klimaneutral: da bei der Verbrennung des selbst erzeugten Methans nur die Menge an $CO_{2}$ entsteht, die zuvor der Luft entzogen wurde, ist das Verfahren zu 100% klimaneutral
  • easy replacement: mit dem selbst erzeugten Methan lassen sich bestehende Gasthermen sofort betreiben oder ersetzen, was noch deutlich mehr $CO_{2}$ einspart
  • easy upgrade: auch bestehende Ölbrenner mit alten Heizkörpern lassen sich durch einen einfachen “Brenner-Austausch” nahezu klimaneutral machen, ohne dass der Aufwand für Wärmepumpe und ggf. Umbau auf Fussbodenheizung anfällt.

Das 100%-Kriterium

Was hindert also die Politik an der Förderung entsprechender Anlagen oder der Forschung an effizienteren Methoden der Methan-Erzeugung. Ein Grund ist möglicherweise der “typisch deutsche” Anspruch, immer eine 100%-Lösung haben zu wollen. Und leider ist Power to Gas da noch recht weit weg davon. Je nach Literatur liegt die Effizienz zwischen 60% und 80%. Oder um es mal mit FDP-Worten zu sagen: Zu wenig, um wirtschaftlich sinnvoll nutzbar zu sein.

Oder genauer: zu wenig, um nach Markt-Prinzipien sinnvoll nutzbar zu sein. Den meisten Privatleuten dürfte das allerdings herzlich egal sein. Bei den aktuellen Gas-Preisen könnte es sogar sein, dass selbst bei einer Effizienz von 60% die Umwandlung von Photovoltaik-Energie in Gas lukrativer ist, als die nun wirklich lächerlich vergütete Einspeisung des Stroms ins große Netz der Versorger.

Und das ist wohl auch ein weiterer gewichtiger Grund, warum hier keine echte Förderung stattfindet: Natürlich ist es nicht im Interesse der Versorger, ihre Kunden noch unabhänger von ihren Leistungen zu machen - sei es nun Strom oder Gas. Denn jede nicht vom Versorger bezogene Kilowatt-Stunde Energie sorgt nicht nur für weniger $CO_{2}$ in der Luft, sondern eben auch für weniger Euros in der Kasse des Unternehmens.