Zum Teufel mit der Witschaftlichkeit

Jetzt haben wir den Salat. Der Krieg in der Ukraine zeigt uns drastisch und überdeutlich, wie kurzsichtig es war, sich als weltgrößter Erdgas-Importeur weitgehend von einem einzigen Lieferanten zu machen. Entsprechend groß ist auch die Hektik seitens der Politik, alternative Bezugsquellen aufzutun - anscheinend auch mit Erfolg.

Doch dass es nicht der Weisheit letzt Schluss ist, eine Abhängigkeit durch eine andere zu ersetzen, das ist erstaunlicher Weise sogar der Politik klar. Deswegen wird auch das neue Motto der “Gasreduktion” ausgerufen. (Wer Zeit hat darf vorher noch dem Robert erklären, dass Wasserstoff auch ein Gas ist). Doch wo können wir überhaupt reduzieren? Dazu müssen wir uns kurz ansehen, wie wir das Gas eigentlich verbrauchen.

Gas-Nutzung in Deutschland

Deutlich zu sehen: der größte Abnehmer ist die Industrie mit rund 32 Prozent. Da hier das Gas hauptsächlich weiterverarbeitet wird ist das Einsparpotenzial auch auf längere Sicht eher gering.

Bleibt also der andere große Brocken: die Privathaushalte und Wohnungsgesellschaften. Da war ich jetzt selbst erstaunt, dass hier anscheinend so viel mit Gas geheizt und warmes Wasser erzeugt wird. Ein Blick in eine andere Statistik hilft:

Heizungstyp in Neubauten

Aha, obwohl die Gastherme nach und nach von der Wärmepumpe verdrängt wird, setzen immer noch mehr als ein Viertel aller Neubauten auf Gas als primären Energieträger. Wie könnte man hier Gas sparen ohne gleich die komplette Heizung rauszureissen?

Einfache Antwort: abgesehen von den tollen Tipps mit homöopathischer Wirkung wie “kürzer un d kälter Duschen”, “Heizung 1 Grad runter drehen” usw. -> gar nicht.

Aber halt! Es geht ja eigentlich gar nicht darum, Gas zu sparen. Wir wollen ja nur weniger importieren, um unsere Abhängigkeit von wem auch immer zu reduzieren. Das könnten wir recht einfach tun, indem wir das benötigte Gas zumindest soweit als möglich selbst produzieren. Alles was dazu notwendig ist haben wir: Energie, Wasser und $CO_{2}$ - von letzterem bekanntlich sogar viel zu viel.

Ja, aber wenn wir das alles haben und wissen wie’s geht, warum importieren wir dann überhaupt Gas und produzieren nicht einfach alles selbst? Naja, weil es sich halt eigentlich nicht “rechnet”. Sprich: das selbst produzierte Gas wäre zu teuer, um zum Beispiel für die Industrie eine wirtschaftliche Alternative zu sein.

Nun mag das für die Industrie gelten, für Privathaushalte sieht die Rechnung aber inzwischen anders aus. Dank explodierender Gas-Preise würde es sich vor allem für die Besitzer von Solaranlagen wahrscheinlioch sogar rechnen, statt den produzierten Überschuss als Strom für 6-7 Cent ins Netz einzuspeisen, mit seiner Hilfe Methan – also Erdgas – zu erzeugen. Das ist zwar nicht effektiv (aus 1kWh Solarenergie kriegt man ~0,5kWh Gas-Energie), hat aber dennoch einige Vorteile:

  • Der Bezug von Gas aus dem Netz und damit die Abhängigkeit von Importen sinkt
  • Die so umgerüsteten Anlage werden klima-freundlicher, da das Methan mithilfe von $CO_{2}$ aus der Umwelt erzeugt wurde und somit kein zusätzliches $CO_{2}$ in die Atmosphäre pusten
  • Der zusätzliche Stromverbrauch “vor Ort” sorgt für weniger “Solarspitzen” und würde so die Kosten des für die Energiewende notwendigen Aus-/Umbaus des Stromnetzes senken.

Nur leider wurde sowohl von Seiten der Politik wie auch von den Vordenkern der Energiewende bislang nur an Strom gedacht. Verständlich, da sich dieser in Echtzeit nahezu beliebig transportieren lässt um dann an geeigneter Stelle dem Verbrauch zugeführt zu werden. Konnte ja keiner ahnen, dass plötzlich auch Gas ein Problem würde.

Aus diesem Grund gibt es nur wenig Systeme, die Power-to-Gas auch für kleinere Umgebungen (Einfamilienhäuser) realisierbar machen. Und selbst die sind nicht einfach so auf dem Markt erhältlich.

Deswegen wäre kurzfristig nur ein zentralerer Ansatz realisierbar: Die “Solarspitzen” - also die nicht benötigte Überproduktion bei strahlendem Sonnenschein - wird an geeigneter Stelle, nach Möglichkeit noch im lokalen Versorgungsnetz, zur Gas-Herstellung verwendet. Das ist dann zwar nach wie vor nicht wirtschaftlich, aber damit werden wir halt eine Zeit leben müssen. Bei anderen Investitionen fragt ja auch keiner nach der Wirtschaftlichkeit…

Dafür könnten wir wertvolle Erkenntnisse sammeln und bestehende Verfahren so weit optimieren, dass am Ende auch für private Haushalten nutz- und vor allem bezahlbare Lösungen herauskommen. Mit deren Hilfe liessen sich dann bereits installierte Gas-Heizungen und -Thermen auf einen klimafreundlichen Betrieb umstellen, ohne dass riesige Investitionen in Wärmepumpen notwendig werden. Gepaart mit passenden staatlichen Förderungen könnte man so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: die Abhängigkeit von Gas-Importen reduzieren und gleichzeitig einen großen Schritt in Richtung “Erreichen der Klimaziele” machen - vermutlich sogar deutlich schneller, als wenn wir darauf warten, dass alle Heizsysteme auf Fernwärme oder Wäremepumpen umgerüstet sind.

Doch wie in der Überschrift schon gesagt: dafür müssten wir zumindest kurzfristig zugunsten der Ökologie auf die Ökonomie schei… pfeifen.